12. August 2019

Im Herzen des Sommers

Sommer, schönste Zeit, Zeit der Leichtigkeit, aber auch der Tiefe und des intensiven Empfindens, seit neun Jahren immer wieder an diesem Lieblingsort. Dort oben wird ein schweres Herz weich, Gedanken, die sonst nur schweifen oder kreisen, bekommen Auftrieb, aus Sonnenlicht werden Visionen geboren und das Blaue vom Himmel wird noch dicker gemalt. Hoch denken, tief fühlen. Die Ferne so nah spüren. Und dabei immer gut geerdet sein.

Der Atem frischer Kräuter. Der Weg durch das Gras, von Heuschrecken gesäumt. Eine Blumenwiese, die mitten ins Herz geht. Pfifferling-Leuchten. Das Pfeifen der Murmeltiere. Unendliche Weite. Ziegenglockengeläut. Der Duft von frisch gemachtem Heu, würzig, warm und schwer. Auf die Berge schauen, über die Berge hinweg, als gäbe es kein Morgen. Kleine Walderdbeeren, so süß und intensiv. Wiedersehen mit alten Freunden, den Menschen des Dorfes und solchen, die wie wir jedes Jahr wiederkommen. Eine Umarmung zu Begrüßung, so fest und herzlich, wie ich sie lange nicht erlebt habe. Draußen schlafen. Ein unfassbar schöner Sternenhimmel. Stille. Laufen. Innehalten. Endlich Regen und Gewitter. Und was für eins! Frisches Brot und Pizza aus dem Holzbackofen. Alle Jahr wieder mein Geburtstagslied auf Italienisch. Ein Zelt zwischen Blaubeersträuchern. Kaffee vom Campingkocher. Auf kleinen Schemeln im Stall sitzen und beim Melken zuschauen. Ein Jodel-Konzert bei Kerzenlicht in der kleinen Kirche. Einen Abend lang nichts weiter tun, als die Schatten der Berge länger und länger werden zu sehen. Und auch die Gedanken länger werden lassen. Unter Laias Fenster sitzen und ihr beim Singen und Gitarrespielen zu hören (sie hat die Stimme eines Engels). Ein unvergesslicher Abend mit dem Alp-Team, Wein und Käse und drei verschiedenen Sprachen. Staunen, was für tolle, einzigartige, lebensmutige, lustige Jugendliche aus den Kindern geworden sind. Ihre Musik hören, ihr Lachen, ihr Miteinander. Genießen, wie die Zeit vergeht und zu wissen, dasss ich mich hier immer zu Hause fühlen werde. Und dann wieder Abschiedsweh.

Als wir den Berg nach drei Wochen wieder hinabsteigen, spüre ich: Ich bin zu Hause, in meinem Körper, in meinem Herzen, auf der Erde und in der Gemeinschaft mit allen Wesen. Leben ist Freude, aber auch Leid, viel Leid. Uns getrennt und mit unserem wechselhaften und unkontrollierbaren Leben im Widerstand zu fühlen, gehört zu fest zur menschlichen Prägung und ist Ursprung von viel Schmerz, das ist auch meine Erfahrung. Umso wichtiger, schöner und tröstlicher ist es, dass an diesem besonderen Ort im Tessin Jahr für Jahr Vertrauen wachsen darf, in mich selbst, in das Leben, und damit die Gewissheit, mit dem umgehen zu können, was auf mich zukommt. Das ist die Zuflucht des Herzens.

Und ich freue mich, wieder zurück zu sein.

Goldmelissensirup

40 g oder 7 g getrocknete Blütenblätter
2 l Wasser
2 kg Rohrohrzucker
2 Bio-Zitronen
Flaschen mit Twist-Off- oder Bügelverschluss

Die Zitronen in Scheiben schneiden und mit den Blütenblättern in einen großen Topf geben. Das Wasser zum Kochen bringen, den Zucker einrühren und auf die Zitronenscheiben und die Blütenblätter gießen. 24 bis 36 Stunden ziehen lassen und anfangs öfter umrühren, damit sich der Zucker vollständig auflösen kann. Die Flüssigkeit filtrieren und aufkochen.

In der Zwischenzeit die Flaschen gut waschen, mit heißem Wasser sterilisieren und warm halten. Den heißen Sirup einfüllen und sofort verschließen. Haltbar bis zur Goldmelissenblüte im nächsten Jahr.

Mehr Rezepte findet ihr hier und mehr aus der Ferne hier.

in: Bergsommer