Anna Seriot ist als Kunsttherapeutin in der Gemeindepsychiatrie in Berlin tätig. Ihre Abschlussarbeit an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen schrieb sie über Puppen als beseelte Objekte und auch in ihrer Berufspraxis wendet sie das Puppenmachen als therapeutische Methode erfolgreich an. Wir lernten uns vor anderthalb Jahren kennen, als sie mit einer Klientin einen meiner Puppennähkurse besuchte. Daraus entstand ein intensiver Austausch, der mich und meine Arbeit sehr inspiriert. Es steht immer die Frage im Mittelpunkt, ob und wie das Puppenmachen die Seele eines Menschen heilen kann. Anna, wie würdest du diese Frage für meine Blogleserinnen beantworten?
„In erster Linie sind es authentische und empathische Beziehungen, die dazu beitragen, dass eine Seele heilen kann. So deuten Studienergebnisse aus dem Fachbereich der Psychologie darauf hin, dass die Wirksamkeit einer Psychotherapie zu ca. 80 % durch eine gelungene therapeutische Beziehung beeinflusst wird. Die menschliche Fähigkeit zur Beseelung von Dingen, die auch als Symbolisierungsfähigkeit bezeichnet wird, kann als eine Voraussetzung betrachtet werden, die es möglich macht, zu einer Puppe eine lebendige und beseelte Beziehung aufzubauen. Eine signifikante Ausprägung dieser kulturell tief in uns verankerten Fähigkeit lässt sich in der Kindheit beobachten. Sie trägt in diesem Lebensabschnitt zu einer spielerischen Entwicklung und Reifung der Seele bei. Mit dem Heranwachsen und auch im späteren Erwachsenenalter treten diese vormals selbstverständlichen kreativen Momente in den Hintergrund eines eher funktionell geprägten Alltags. Sowohl das Spiel mit einer Puppe als auch der Schöpfungsakt einer eigenen Puppe gehören zu diesen kreativen Momenten, die Puppen eine Seele verleihen und bei denen eine Beziehung zur Puppe entstehen kann. Die Puppe als menschliches Abbild bietet als Objekt ein hohes Maß an Identifikationsmöglichkeiten. Sie wird zum Stellvertreter der eigenen Person und dennoch bleibt sie ein Objekt. So erzeugt die Puppe einerseits eine Identifikation mit dem Eigenen und wird andererseits zu einem Gegenüber, das eigene Verhaltensweisen, Charakterzüge, Gefühle und Gedanken widerspiegeln kann. Die Heilung der Seele entwickelt sich vorrangig aus der Seele selbst. Die Puppenmacherei kann in diesem Zusammenhang als eine kreative Methode betrachtet werden, die therapeutische Heilungsprozesse unterstützen kann. Dabei bleibt festzuhalten, dass es sich um eine Methodik handelt, die einen Psychotherapeuten nicht ersetzen kann.“
Vielen Dank, liebe Anna, für deine Ausführungen und weiterhin ganz viel Freude und Erfolg bei deinem kunsttherapeutischen Schaffen!
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