„Der Pfannkuchen klebt an der Decke,“ so beginnt der erste Satz in „Aus und davon“ von Anna Katharina Hahn. Und so beginnt auch eine Rezension des Buches, die am 7. Juni im Tagesspiegel erschien, eine sehr gute (und gut geschriebene) Rezension, ohne die ich wohl nicht auf den Roman aufmerksam geworden wäre.
Es war aber nicht nur der fulminante Pfannkuchen-Beginn, der mich neugierig machte, sondern auch die kurze Erwähnung einer zweiten, fantastischen Ebene neben den realen Ereignissen, die aus der Sicht einer unscheinbaren, mit Linsen gefüllten Puppe erzählt wird, dem „Linsenmeier“, die denkt und fühlt wie ein Mensch.
Der Roman ist eine Familiengeschichte, die über vier Generationen reicht und mit einer völlig überforderten Elisabeth beginnt, die ihrer Tochter Cornelia einen Gefallen tun möchte, indem sie deren Kinder Bruno und Stella hütet, während diese sich auf Spurensuche in die USA begibt, um mehr über ihre Großmutter Gertrud (Elisabeths Mutter), genannt Trudele, herauszufinden, die in der Weltwirtschaftskrise Deutschland verlassen hatte, um bei entfernten Verwanden in Meadville, Pennsylvania als Hausmädchen zu arbeiten und Geld in die Heimat zu schicken. Beide Frauen, Elisabeth und Cornelia, haben eine kürzlich gescheiterte Ehe hinter sich, Bruno wird von seinen Mitschülern gemobbt und Stella befindet sich in den Verwirrungen der Teenagerzeit. Es geht um Trennung und Flucht, Alleinsein und Miteinander, Brüche und Aufbrüche. Was bedeutet Familie im 21. Jahrhundert und wie fängt man wieder neu an, wenn alles anders ist?
Der Linsenmeier kennt das Leben, das Glück und die Nöte dieser Familie sehr gut, seit Jahrzehnten begleitet er sie, war schon mit Trudele auf dem Schiff nach Amerika, tröstete sie in der Fremde, kehrte mit ihr nach Deutschland zurück, war der kleinen Elisabeth im strengen, tiefgläubigen Elternhaus ein liebevoller Gefährte und taucht viele Jahre später bei Bruno wieder auf, als dieser einen Freund braucht.
Die Puppe erzählt die Familiengeschichte, vor allem Trudeles Geschichte, die so prägend für die nachfolgenden Generationen war, aus ihrer ganz eigenen Perspektive. Sie verbindet die Familie über ein Jahrhundert, indem sie still beobachtet, mitfühlt und schlicht und einfach für die Menschen da ist: „Der Linsenmeier wusste kaum wie ihm geschah, so viele Tränen und so viel Nasenwasser flossen über ihn. Obwohl er Trudele nicht helfen konnte, war er doch glücklich, denn jetzt wurde er gebraucht.“
Am Ende mochte ich das Buch natürlich wegen der Puppe, aber auch weil die Autorin so lebendig und einfallsreich erzählt, dass es einem leicht ums Herz wird, egal wie schwer man manchmal an der eigenen Familie zu schlucken hat. Denn die haben wir wohl alle, eine Herkunftsgeschichte voller Geheimnisse, Verwerfungen und Verletzungen, aber auch Hoffnung und unendlich viel Liebe.
Anna Katharina Hahn: Aus und davon, Suhrkamp Verlag, ISBN: 978 3 518 42919 8, 24 Euro.
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