23. November 2016

Rosinen im Kopf

Immer wenn ich in der Vergangenheit gefragt wurde, was die Puppenmacherei einbringt, habe ich mit einem Augenzwinkern geantwortet: Man kann davon leben, wenn man keine Rosinen im Kopf hat. In den letzten Wochen habe ich viel darüber nachgedacht, was dieser Satz eigentlich aussagt und ob er tatsächlich stimmig für mich ist.

Rosinen, das waren für mich vor allem materielle Dinge, die über das hinausgehen, was ich wirklich zum Leben brauche. Natürlich habe ich Träume und Wünsche, die sich mit dem Geld, das ich verdiene, nicht erfüllen lassen. Darüber bin ich manchmal traurig. Aber ich bin auch froh. Denn meine Rosinen sind eigentlich anderer Natur. Selbstbestimmt, schöpferisch und sinnstiftend zu arbeiten, das ist mir wirklich wichtig. Und das kann ich mit Mariengold.

Nach zehn Jahren als Puppenmacherin weiß ich, dass ich mit dieser Art von Arbeit wohl niemals reich werde, aber ich kann mir davon ein Gehalt auszahlen, meine Krankenversicherung finanzieren, Rücklagen bilden und für das Alter vorsorgen. Dafür muss ich aber auch etwas tun und zwar fünf Tage die Woche, täglich sechs bis acht Stunden, oft mehr, ein Mal im Monat auch am Wochenende. Bei aller Freude und Erfüllung ist das manchmal auch langweilig, anstrengend und frustrierend. Und Ängste kenne ich natürlich auch, Angst, meine Rechnungen nicht zahlen zu können, mein Potenzial nicht voll auszuschöpfen oder arm zu sein, wenn ich einmal nicht mehr arbeiten kann.

Wie gut es mir eigentlich geht, fällt mir manchmal ganz schön schwer zu erkennen. Denn ich neige sehr dazu, viel zu arbeiten und viel zu selten innezuhalten und zu schauen, was ich geschafft habe, geschweige denn es ausreichend zu würdigen. Mein Fokus liegt häufig darauf, was alles noch zu tun ist, welche Projekte warten oder ob ich alle Zahlungen pünktlich leisten kann. Das macht Blick und Herz eng.

Was mir in solchen Zeiten hilft, ist Dankbarkeit. Dann mache ich mir bewusst (meist in Form von Aufschreiben), wofür ich dankbar bin, jeden Abend drei Dinge, meistens sind es mehr. So ein Dankbarkeitstagebuch wirkt Wunder und macht glücklich, das kann ich aus Erfahrung sagen. Gerade erlebe ich es wieder ganz intensiv, denn aktuell schreibe ich an meinen Herzmomenten und Freudebegegnungen für 2016. Solche Glückslisten führe ich seit einigen Jahren und veröffentliche sie immer im Dezember. Unglaublich schön, was sich in den letzten 365 Tagen angesammelt hat!

Vor einigen Wochen hat mich eine Leserin meines Blogs gefragt, ob ich schon eine Antwort gefunden hätte auf meine Frage hier, ob man in Deutschland davon leben kann, mit guter Handarbeit ein solides und schönes Traditionsprodukt herzustellen und es selbst zu vermarkten. Im Laufe des Gesprächs stellte sich heraus, dass sie selbst vorhatte, sich mit ihrer Hände Arbeit selbständig zu machen. Und darin liegt auch die Antwort, nämlich, dass man sie nur für sich selbst finden kann. Man kann nur für sich selbst erkunden, was einem Erfolg bedeutet, was Wohlstand, ein gutes Leben und Selbstverwirklichung.

Für mich ist es ein großes, unfassbares Glück, mein Berufsleben den Puppen und der Puppenmacherei widmen zu können. Das sind die Rosinen in meinem Kopf und von und mit denen lebe ich sehr, sehr gut.

in: Persönliches