Was für ein Ausflug! Die Geschichten überschlagen sich in meinem Kopf. Gedankenspaghetti habe ich das in letzten Tagen immer wieder genannt. Auch mit dem Abstand von gut einer Woche lassen sie sich noch lange nicht zu einem stimmigen Nachklang oder einem Knaller-Fazit zusammenfügen, die vielen Eindrücke und Erfahrungen, Begegnungen und Empfindungen auf der Reise zum Puppen-Festival in Neustadt bei Coburg gemeinsam mit meinen Puppen-Freundinnen Anita von Lilla Kirrivi und Laura von 1000 Rehe.
Wir hatten schon so eine Ahnung, was da auf uns zukommen würde. Das Internet gab uns einen Vorgeschmack, ebenso unsere berufsbedingten Begegnungen mit verrückt-liebenswerten Puppenliebhabern und Sammlern aus aller Welt. Schon bei den Vorbereitungen waren wir mit viel Neugier, Abenteuerlust und einer guten Portion Humor dabei. Zum Glück sind diese uns auch unterwegs nicht ausgegangen!
Natürlich gab es jede Menge lustige, skurrile, schräge und bemerkenswerte Momente, für die allein ich unsere Reise schon liebe! Laura hat sie hier und hier auf das Köstlichste eingefangen. Wir haben so viel gelacht und unsere Freude mit den Puppen und Besuchern des Festivals gehabt. Aufregung, Entdeckungen, Inspiration, gemischte Gefühle, Staunen, Kopfschütteln, Glück, Bewunderung, Verwunderung, Fragezeichen, Abwinken, Herzklopfen, Faszination Mensch – alles war an diesen zwei Tagen dabei. Was wir die ganze Zeit gemacht haben?
Abreise 4.37 Uhr am Berliner Hauptbahnhof. Fünf Stunden, eine große Schale Erdbeeren und ein ausgedehntes Nickerchen später Ankunft in der bayerischen Puppenstadt. Warm-Up und erstes Einkaufserlebnis beim Puppendoktor Packert inklusive Begegnung mit einem Reisebus voller englischer Puppenliebhaber, herrlich! Danach unser erstes offizielles Festival-Ziel: Die Präsentation der Künstlerpuppen für den Max-Oscar-Arnold-Kunstpreiswettbewerb, ein ganz toller Einstieg und der künstlerisch-kreative Höhepunkt unserer Reise! Weiter ging es ins Museum der deutschen Spielzeugindustrie und am Abend zur Verleihung oben genannten Preises ins Neustädter Rathaus.
Nach einer selig durchschlummerten Nacht im Gästehaus Outdoor Inn in der Nachbarstadt Sonneberg machten wir uns auf die Suche nach dem Geburtshaus von Lauras Papa, der uns live am Telefon ein bischen von der Puppen-Vergangenheit seiner thüringischen Heimat erzählte. Ein paar Straßen weiter kehrten wir bei Haida ein, einem Fachgeschäft für Puppen- und Teddyzubehör und meinem persönlichen Halleluja (sprich Tiefpunkt der Reise)! Wieder in Neustadt bummelten wir über den großen Flohmarkt für Antikspielzeug, besuchten die Ausstellung des Verbands europäischer Puppenkünstler (wo Laura sogar bei einem Filz-Workshop mitmachte!) und gingen noch einmal ins Spielzeugmuseum in die Sonderausstellung „Lebendige Werkstätten“, einem Begegnungsort für Künstler und Besucher. Am späten Nachmittag dann zurück nach Berlin, Einfahrt in den Hauptbahnhof 22.42 Uhr.
So weit, so gut zum Ablauf des Geschehens. Das war ganz schön viel! Anita liefert hier Bilder und weitere Eindrücke dazu und zeigt hier Bilder der Puppe, die sie für den Wettbewerb gemacht hat.
Das eigentliche Herz dieser Reise aber waren für mich die Menschen.
Da waren zuallererst natürlich meine beiden Gefährtinnen: Laura mit ihrer Leichtigkeit und guten Erdung (nein, das ist kein Gegensatz), ihrer komischen Clowninnen-Natur und dem erzählerischen Talent. Und Anita mit ihrer rührenden Zurückhaltung und klugen Aufmerksamkeit, ihrer Genauigkeit und bemerkenswerten künstlerischen Ambition mit den Puppen. Wir drei hatten es einfach richtig gut miteinander!
Vorab hatte ich mich schon mit Sanne von Allerleipuppen verabredet und fieberte nicht zuletzt deshalb voller Vorfreude dem Festival entgegen. Mit diesem persönlichen Kennenlernen nach einigen Jahren E-Mail-Kontakt ging für mich ein riesiger Wunsch in Erfüllung. Was für eine Frau, was für eine Puppenmacherin! Das weiß ich natürlich schon lange, schließlich war Sanne mit ihren Puppen von Anfang an eine große Inspiration für Mariengold. Auf dem Festival aber wurde mir das unglaublich kreative Potenzial dieser tollen Frau erst so richtig bewusst. Sannes Stoff- und Filzpuppen live zu sehen und in den Händen zu halten, mit ihr zu plaudern, in diese schelmischen Augen zu schauen, ihre Wirbelwind-Power (anders kann ich es wirklich nicht nennen) zu erleben – wow! Ich bin zutiefst dankbar und berührt von dieser Begegnung und schicke Luftküsse nach Göritzhain!
Und noch ein Traum wurde wahr, als wir in den „Lebendigen Werkstätten“ den Stand von Anne Kohlschmidt entdeckten und mit der Künstlerin ins Gespräch kamen. Auch das war eine berührende Begegnung: Anne Kohlschmidt ist eine gestandene Puppenmacherin mit jahrelanger Erfahrung, sie lebt von ihrer Arbeit und kommt dabei ganz ohne das Internet aus. Ihre Augen leuchten, sie strahlt eine gelassene Heiterkeit und Zufriedenheit aus und auch ihre Puppen strotzen nur so vor Leben und Liebe. Wir drei waren auf der Stelle ganz hingerissen und verliebt und dankbar für das Vorbild, das wir in ihrer Hingabe, ihrem künstlerischen Werk und ihrer Ausstrahlung gefunden haben.
Schön war es für mich auch, ganz unverhofft die Spielzeuggestalterin Andrea Schnellhardt kennenzulernen, deren Puppen ich vor einigen Jahren bei DaWanda entdeckt hatte, woraufhin sich ein langes Telefonat ergab, bei dem wir uns gegenseitig Starthilfe für die berufliche Selbständigkeit gaben. Ich fand’s herrlich, Andrea nach der langen Zeit inmitten ihrer bunten Puppenschar und sogar als diesjährige Preisträgerin in der Kategorie Experimentelle Puppenkunst zu sehen und mit ihr zu staunen, wohin uns unsere Siebenmeilenstiefel schon getragen haben.
Stellt sich noch die Frage, warum ich im Titel unseren Ausflug als Reise in eine andere Welt bezeichne. Klar, ich habe diese Tage mit meinen Freundinnen und den Begegnungen auf dem Festival in vollen Zügen genossen. Und dennoch blieb mir diese Welt der Puppensammler und Liebhaber antiken Spielzeugs die ganze Zeit seltsam fremd, obwohl ich doch selbst eine Puppenmacherin bin. Aber das ist in Ordnung so.
Ich bin von ganzem Herzen dankbar für jeden Moment dieser Reise, für die Eindrücke und Begegnungen, einfach für alles, was ich mit nach Hause in meine eigene Welt und mein Kreativ-Studio genommen habe.
So viel ist sicher und bedeutet schon jetzt Herzklopfen vor lauter Vorfreude: Wir Berliner Puppenmacherinnen werden wieder gemeinsam verreisen und unser Handwerk feiern!