Von Januar bis März habe ich an einer Berliner Schule zusammen mit acht Mädchen und Jungen einer 6. Klasse eine Puppennäh-AG veranstaltet. An sechs Freitagnachmittagen drehte sich alles um die Herstellung der Puppen, an zwei weiteren Terminen nähten wir die Kleidung. Kurz vor den Osterferien war es geschafft, die Kinder hielten ihre fertigen Puppen in den Händen und strahlten mit ihren rotgewangten Goldstücken vor Glück um die Wette.
Der Weg dahin war eine ganz schön anstrengende Riesenfreude. Woche für Woche lachte mein Herz auf dem Weg zur Schule und war ich danach so erfüllt und gleichzeitig erledigt, dass ich mehr oder weniger den Rest des Tages wohlig auf dem Sofa verbrachte, mit meiner Tochter (die auch bei dem Kurs dabei war), selbstgemachtem Soulfood und einem Film oder Büchern. Schöner konnte das Wochenende nicht beginnen.
Über die spezielle Puppe, die ich mit den Kindern nähte, habe ich bereits hier geschrieben. Schlicht und einfach war sie, aber nackt sollte sie nicht bleiben, so von Anfang an der Wunsch der Kinder. Eigentlich hatte ich gar nicht vor, auch die Puppenkleidung mit ihnen anzufertigen, denn dafür fehlte mir die Erfahrung in Kursen, noch dazu mit Kindern. Aber irgendwann hatten sie mich so mit ihrer Vorfreude (wie sie nur Kinder haben) angesteckt, dass ich hin und her überlegte, wie es gehen könnte – mit supersimplen Schnittmustern, ohne Nähmaschine, aber dafür mit besonders tollen Stoffen.
Chaotisch war es trotzdem: Die vielen Stoffe lösten Begeisterung, aber auch Unruhe aus. An das Kopieren der Schnittmuster hatte ich gedacht, aber nicht an ausreichend Stifte zum Aufzeichnen. Teile wurden falschherum zugeschnitten. Das Nähen von Hand fanden die meisten Kinder mühsam. Auch weil das Garn ziemlich dünn war und doppelt genommen ständig Schlaufen bildete. Und Quatschen fanden die Kids sowieso viel toller als Säume zu nähen. Alles dauerte viel länger als gedacht. Nichtsdestotrotz war es ein großer Spaß und je weiter wir voranschritten, desto aufgeregter wurden die Kinder und konnten es kaum erwarten, die Kleider anzuziehen und endlich ihre Puppen in Vollendung zu sehen. Das waren richtig, richtig schöne Momente.
Dann kamen die Osterferien, in denen die letzten Fäden vernäht und teilweise weitere Kleider nach eigenen Entwürfen angefertigt wurden, die Puppen stolz den Eltern gezeigt und von Herzen bestaunt, lieb gehabt und geküsst wurden.
Anfang April trafen wir uns ein allerletztes Mal, um richtig Abschluss zu feiern. Es gab eine aufregende Fotosession, in der noch einmal jedes Kind mit seiner Puppe gewürdigt wurde. Wir schwelgten ein bisschen in Erinnerungen, futterten meinen liebsten Zitronenkuchen und lauschten „Vasalisa“, dem alten russischen Märchen von der Puppe in der Schürzentasche, das ich vor ein paar Jahren als Hörgeschichte für meinen Blog aufgenommen habe (mittlerweile hier zu finden).
Zum Abschied nahm ich noch einmal alle Puppen in die Arme und hätte am liebsten dasselbe mit den Kindern getan, so sehr waren sie mir in den letzten Wochen ans Herz gewachsen (aber das verkniff ich mir). An diesem Nachmittag war ich unendlich dankbar für diese wunderbare, bereichernde und beglückende Erfahrung.
Ein paar Beobachtungen und Bemerkenswertigkeiten:
Vier einfache Schnittmuster hatte ich vorbereitet – Hemd, Hose, Rock und Kleid. Manchen Kindern war das zu schlicht, sie hatten eigene Vorstellungen. Ganz kreativ und ohne groß darüber nachzudenken, wandelten sie meine Vorlagen ab, interpretierten sie neu oder machten etwas ganz Eigenes. Das beeindruckte mich unheimlich.
Bei den Stoffen kamen besonders gut Streifen und kleine Muster mit wenig Farbe an. Blümchen waren nicht so angesagt.
Einmal bekamen wir Besuch von der Handarbeitslehrerin. Es stellte ich heraus, dass die Kinder echt gute Tricks und Kniffe draufhaben, wenn sie nur jemand (die Handarbeitslehrerin) daran erinnerte, was sie bereits gelernt hatten. So konnte ich mir z. B. bei ihnen abgucken, wie man einen anständigen Knoten ins Fadenende macht.
Manchmal besuchten uns auch andere Kinder aus der Klasse. Mein Eindruck war, dass sie neugierig auf die AG waren und den Freundinnen und Freunden nur allzu gern bei der Puppenmacherei zur Hand gingen.
Überhaupt staunte ich immer wieder, wie gern die Kinder Handarbeiten machten. Nie hörte ich ein abwertendes Wort oder lustloses Stöhnen.
Obwohl ich den Kinder zu Beginn des Kurses mehrmals anbot, mich zu duzen, blieb A. als Einzige bis zum Ende beim „Sie“. Was irgendwann nur noch ein klitzekleines bisschen komisch für mich klang.
Als Bonus hatte ich zum letzten Termin für die besonders Schnellen ein Schnittmuster für supereinfache Ringelstrümpfe mitgebracht. Die Strümpfe waren der Hit und wurden sofort zum Lieblingsprojekt. Manche Puppen bekamen gleich mehrere Paare in verschiedenen Farben.
E. hatte die größte Freude an der Puppenkleiderschneiderei. Trotz Gipsarm vom Reitunfall brachte sie nach den Osterferien eine hübsche kleine Garderobe inklusive Regenmantel für ihre Puppe mit. Andere Kinder hatten vor den Ferien zwar meine Stoffvorräte geplündert – aber nichts damit angestellt. (Wie gut ich das von mir selbst kenne.)
Die Kinder waren untereinander immer freundlich, aufmerksam und hilfsbereit, egal was sich in der Pause vorher abgespielt hatte. Und das waren teilweise echte Dramen.
Die Puppen der Jungen bekamen zuerst ihre Namen, Karsten und Paolo. Eine andere Puppe heißt Lexi und eine Harry Potter.
Manche Kinder sind totale Abchecker. Sie registrierten jede kleine Veränderung an mir: die kurzen Haare Ende Januar, den großen Kummer, nachdem mir etwas richtig Doofes passiert war, und die neuen weinroten Nike Airs zum Frühlingsbeginn.
Wiederum nahm ich bei den Kindern auch ganz viel wahr: Stimmungen von Rosarot bis Tiefschwarz, Tuscheleien und Neckereien, Experimente mit Klamotten und Schminke, Tränen auf dem Mädchenklo, Eis zum Nachtisch in der Mittagspause, kleine Flirts und große Aufregung.
Was mich besonders freut, ist, dass die meisten Kinder weitere Puppen nähen möchten. (Harry Potter braucht schließlich noch eine Hermine.)
So einen Kurs möchte ich unbedingt noch einmal geben!
Frühlingsfrischer Zitronenkuchen
250 g sehr weiche Butter
200 g Rohrohrzucker
4 Eier
Geriebene Schale und Saft von 2 Zitronen
250 g Weizenmehl Typ 1050
1 gehäufter TL Backpulver
1 Prise Salz
1 TL Vanille
100 g Puderzucker
Butter, Zucker und Eier mit dem Schneebesen gut verrühren. Zitronenschale, Mehl, Backpulver, Salz und Vanille dazugeben und von Hand oder mit dem Mixer mischen, so dass ein glatter, fluffiger Teig entsteht. In eine gefettete Kuchenform füllen und bei 180 Grad Celsius circa 60 Minuten backen und abkühlen lassen.
Für den Guss Puderzucker und Zitronensaft verrühren. Den Kuchen rundherum mit einer Gabel einstechen und mehrmals mit dem Guss tränken, bis nichts mehr davon übrig ist. Das macht ihn so richtig schön schmackofatzig. Ihr wisst sicher, was ich meine. Enjoy!
Mehr über das Puppennähen mit Kindern findet ihr hier, mehr Rezepte hier.